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„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, formulierte es einst der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein sehr treffend. Mit jeder neuen Chinesisch-Vokabel setzt sich also das mentale China-Puzzle ein Stück weiter zusammen. In unserer Chinesisch-Kolumne bringen wir spannende Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen zur Sprache.
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Kennen Sie das: Endloses Kissenwälzen und einfach nicht einschlafen können? Oder flimmern Sie vielleicht des Öfteren eingemummelt unter der Decke als Handy-Glühwürmchen bis weit nach Geisterstunde durch die Nacht? Haben Sie es mal mit einem Schlummerservice probiert? Im Onlineservice-Mekka China ist ein entsprechendes Rund-um-sorglos-Paket nur ein paar Handy-Swipes entfernt. Auf Onlineshoppingportalen wie Taobao (淘宝 Táobǎo), Xianyu (闲鱼 Xiányú) und Co. kann man nämlich neuerdings seinen individuellen Einschlafservice buchen. Das Zauberwort lautet 哄睡 hǒngshuì – „jemanden in den Schlaf wiegen/lullen“. Tippt man diese chinesischen Erkennungszeichen in die Suchmaske ein, poppen prompt zahlreiche Einschlafservices (哄睡服务 hǒngshuì fúwù) auf, bei denen man sich seinen persönlichen Sandmann beziehungsweise seine persönliche Sandfrau – im Fachjargon 哄睡师 hǒngshuìshī „Einschlafmeister“ – buchen kann.
Und potentielle Kundschaft gibt es genug. Nach dem nationalen Schlafreport 2022 (中国国民健康睡眠白皮书) der chinesischen Gesellschaft für Schlafforschung (中国睡眠研究会) bleiben in China 44 Prozent der 19- bis 25-Jährigen bis weit nach Mitternacht auf – viele haben Probleme, ins Bett beziehungsweise in den Schlaf zu finden. Und so sind es denn auch vor allem (überwiegend weibliche!) Berufsstätige der Post-90er-Generation oder jünger, die die Online-Einlulldienste ordern.
Und so funktioniert’s: Im Shop den gewünschten Schlafguru auswählen. Wer unschlüssig ist, kann einen kurzen Fragebogen mit Eckdaten zur eigenen Person wie Alter, Geschlecht, Interessen und Hobbys ausfüllen. Dann fischt der Kundenservice passende virtuelle Kissen-Kandidaten aus dem Schlafmeisterpool. Für Einsteiger gibt es eine kostengünstige Überraschungsbox-Variante (盲盒 mánghé „Blindbox“). Da wird einem der Einschlafbegleiter nach dem Zufallsprinzip zugeteilt. Kostenpunkt: schlappe 10 bis 20 Yuan pro Viertelstunde, umgerechnet also rund 1,40 – 1,80 Euro. Für VIP-Virtuosen unter den Schlummermagiern muss man schon tiefer in die Schlafanzugtasche greifen – hier sind bis zu 500 Yuan pro Stunde zu berappen, gut 70 Euro also. Und wer sich auf einen Lieblingswiegemeister beziehungsweise eine Lieblingswiegemeisterin eingeschossen hat, der bucht am besten gleich eine Monatsflatrate (包月套餐 bāoyuè tàocān). Nicht, dass am Ende des Tages jemand den Wunschkandidaten von der Bettkante wegschnappt.
Und welche Wunderwaffen stecken so im Werkzeugkasten eines professionellen Einschlafbegleiters? Zunächst einmal kann man zwischen Text- und Tonservice wählen (文字 wénzì oder 语音 yǔyīn). Bei ersterem werden nur Chatnachrichten verschickt, bei letzterem Tonnachrichten oder es wird über das Internet telefoniert. Zur Performance gehören – je nach Kunden:innenvorliebe – das Singen oder Vorspielen von Einschlaf- und anderen Liedern (唱歌 chànggē und 放歌 fànggē), Einschlafgeschichten (讲故事 jiǎng gùshi) oder einfach nur aufmerksame Unterhaltungen und geduldiges Zuhören (陪聊 péiliáo). Wer nach Ablauf der Einlullzeit noch immer nicht ins Reich der Träume gefunden hat, kann weiteres Zeitguthaben nachbuchen (续单 xùdān).
Zwar rühmen sich die Schlafservice-Anbieter mit vermeintlich professionell geschulten Schlafbegleitern. Tatsächlich handelt es sich bei den Traumdomteuren aber um Gelegenheitsjobber und Teilzeitkräfte, darunter auch Studenten. Schließlich werden ihre Dienste in der Regel nur in den Abendstunden gebraucht (die Ruf-Rushhour beginnt gegen 21 Uhr). Daher ist das Metier bestens mit gewöhnlichen Tagesjobs vereinbar.
Generell hat sich um das Thema Einschlafhilfe in China in den letzten Jahren ein regelrechter Wirtschaftszweig entsponnen – die sogenannte Schlafwirtschaft (睡眠经济 shuìmián jīngjì). Als Einschlafwunderwaffen (助眠神器 zhùmián shénqì) für Nachteulen wider Willen (夜猫子 yèmāozi „Nachteule“) werden auf beliebten Webportalen wie der Social-Media-Plattform Xiaohongshu (小红书 Xiǎohóngshū) verschiedenste Sleep-Produkte (助眠产品 zhùmián chǎnpǐn) wie Schlafarzneien (助眠药品 zhùmián yàopǐn), Schlafpflaster (睡眠贴 shuìmiántiē) und Schlummeraromatherapien (助眠香薰 zhùmián xiāngxūn) angepriesen. Einen Boom erleben außerdem Schlummer-Apps (助眠APP zhùmián APP), die so beruhigend-heilsame Namen wie „Schlafschnecke“ (蜗牛睡眠 wōniú shuìmián) oder „Sleepy Koala“ (考拉睡眠 kǎolā shuìmián) tragen. Sie setzen auf einen Mix aus Meditationsübungen (冥想练习 míngxiǎng liànxí), beruhigenden Background-Geräuschen (白噪音 báizàoyīn), Hörbüchern (听书 tīngshū) und Gutenachtgeschichten (睡前故事 shuìqián gùshi).
Wer bei so viel Wiegen-Wirtschaft dann doch endlich erfolgreich in den Schlaf gelullt wurde, braucht sich im Übrigen keine Sorgen zu machen, am nächsten Morgen nicht aus den Federn zu finden. Denn auch für Morgenmuffel ist in China ein Kraut gewachsen – personalisierte Weckdienste, auf Chinesisch 叫醒服务 jiàoxǐng fúwù. Das Onlineservice-Paradies China macht’s möglich!
Von Verena Menzel
用二十个词说 ... 睡觉
Schlafen ... in 20 Worten
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"Daddy-Duft"
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"das Schaf rauslassen"
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"Rollen-Kollaps"
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"Tigerrücken & Bärentaille"
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"So geht Entschleunigung in China"
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