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„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, formulierte es einst der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein sehr treffend. Mit jeder neuen Chinesisch-Vokabel setzt sich also das mentale China-Puzzle ein Stück weiter zusammen. In unserer Chinesisch-Kolumne bringen wir spannende Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen zur Sprache.
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Für die einen ist es der Gipfel allen Knabbergenusses, für die anderen ein akustischer Alptraum. Wer eher zartbesaitete Gehörgänge hat und sich schon einmal im Knusperradius eines passionierten Kerneknackers befunden hat, der weiß: jetzt heißt es entweder Mitknabbern oder Reißaus nehmen. Die Kerne, von denen hier die Rede ist, nennt man in China “guazi” (瓜子 guāzǐ) - der chinesische Sammelbegriff für alle Samen, die sich als Snack knabbern lassen. Meist sind damit Sonnenblumenkerne gemeint, gelegentlich aber auch Kürbis-, Pinien-, Wassermelonen- oder andere Kerne.
Von Knusperprofis werden die Knabberkerne mit Karacho mit den Vorderzähnen aufgespalten und dann im Mund mit viel Zungenspitzengefühl aus der Schale gefischt. 嗑瓜子 kè guāzǐ (“Kerne knacken”) heißt diese Operation auf Chinesisch. Ob zum Frühlingsfest, Filmeabend oder Feierabendbier - für viele Chinesen gehören “guazi” zur Grundausstattung geselliger Gruppenereignisse. Auch sind sie ein gern gesehener Gaumenzeitvertreib für Wartezeiten in Restaurantfoyers oder Bahnhofshallen.
Sogar ein Schönheitsmakel ist nach den kleinen Kernen benannt, nämlich der Guazi-Zahn (瓜子牙 guāzǐyá). Er ist die Bürde, die eingefleischte Knusperfanatiker brandmarkt, wenn sie es über die Jahre mit dem ekstatischen Aufknacken harter Schalen übertrieben haben. Als “Strafe” hat sich beim einen oder anderen mit der Zeit nämlich eine kleine Kerbe in den vorderen Schneidezähnen eingefurcht. Seither kann man sie schon beim ersten Lächeln als Guazi-Jünger entlarven.
Wer dem frühzeitig Einhalt gebieten will, der schafft sich am besten flugs eine automatische Guazi-Knackmaschine an. Die gibt es wirklich. Auf Taobao hat man die Wahl zwischen unterschiedlichsten Fabrikaten. Unter genuinen Guazi-Genießern sind solche Gerätschaften allerdings als Spaß- und Geschmacksbremse verschrien. Schließlich werden die Kerne in speziellen Aromamischungen geröstet, sodass sich ein Großteil dessen, was die Geschmacksknospen zum Tanzen bringt, auf der äußeren Knusperschale befindet. Ein Kern ohne Schale - das ist für echte Knusperfans wie ein Liebesakt ohne Vorspiel. Zu den beliebtesten Guazi-Geschmacksrichtungen im Reich der Mitte zählen übrigens Karamell (焦糖 jiāotáng), Fünf-Gewürze-Mischung (五香 wǔxiāng - aus Fenchel, chinesischem Pfeffer, Sternanis, Zimt und Gewürznelke), Sahne (奶油 nǎiyóu) und Grüntee (绿茶 lǜchá).
Wie tief sich das mentale Konzept der “guazi” in die Köpfe der Chinesen eingebrannt hat, zeigt der Begriff des Guazi-Gesicht (瓜子脸 guāzǐliǎn). Dieses gilt als Inbegriff einer harmonischen Gesichtsform und damit als Schönheitsideal. Ein klassisches “Kerngesicht” zeichnet sich durch weiche, fließende Linien aus, ist oben eher rundlich, läuft aber zum Kinn hin schmal zu. Natürlich hat so ein Idealgesicht nicht jeder. Aber keine Bange, Taobao schafft Abhilfe.
Wer auf dem Onlineshoppingportal nämlich den Suchbegriff “Guazi-Gesicht” eintippt, dem werden zahlreiche “Guazi-Gesicht-Wunderwaffen” (瓜子脸神器 guāzǐliǎn shénqì) angepriesen, die für eine schmal zulaufende Gesichtsform sorgen sollen. Die wilden Wahloptionen reichen von manuellen bis elektrischen Gesichtsmassagegeräten über Bissbälle zum Gesichtsmuskeltraining und Kosmetikmasken mit spezieller Schmalmachformel bis hin zu formenden Gummimasken und Spanngurten. Wer, bis sich erste Erfolge einstellen, das vermeintlich nicht-normschöne Gesicht erst einmal kaschieren möchte, kann zudem aus einer breiten Palette an speziellen Brillengestellen, Sonnenbrillen und Kopfbedeckungen wählen, die das Gesicht “kerniger” erscheinen lassen sollen. Oder vielleicht hilft ja auch ganz einfach kontinuierliches Guazi-Knabbern? Probieren Sie es aus!
Von Verena Menzel
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