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„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, formulierte es einst der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein sehr treffend. Mit jeder neuen Chinesisch-Vokabel setzt sich also das mentale China-Puzzle ein Stück weiter zusammen. In unserer Chinesisch-Kolumne bringen wir spannende Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen zur Sprache.
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Wussten Sie, dass Poseidon ein ziemlicher Playboy war? Ja genau, gemeint ist der Herr aus der griechischen Mythologie, der Gott des Meeres. Den Römern war er auch als Wassergottheit Neptun bekannt. Eigentlich war der Bruder des Zeus mit der bildschönen Amphitrite vermählt, der Beherrscherin der Meere. Doch das war dem dreizackbestückten und narzisstisch veranlagten Wasser-Vagabunden scheinbar nicht genug. Und so soll er sich der Überlieferung nach nebenher auch immer wieder mit Wassernixen und Meernymphen vergnügt haben.
Vielleicht war das der ausschlaggebende Grund, warum die Chinesen den alten Wassergott wieder aus dem Olymp der Vergessenheit hervorgekramt haben und ihn neuerdings einer sprachlichen Frischekur unterzogen. Und so ist “Poseidon” - auf Chinesisch wörtlich “Meereskönig” 海王 hǎiwáng - heute ein Synonym für selbstverliebte Playboys, die sich gerne in Gesellschaft des anderen Geschlechts tummeln und sich bevorzugt von schönen Frauen umschwärmen lassen.
Dabei wirft ein “hǎiwáng” in alle vier Himmelsrichtungen seine Netze aus (四处撒网 sìchù sāwǎng), ohne sich aber einen der Fänge ins heimische Aquarium zu setzen. Stattdessen lässt er angeköderte Prachtexemplare im Netz zappeln und sich damit alle Optionen offen. Der Harem an Verehrerinnen, den sich der Neptun-Schwerenöter so mit der Zeit anlegt, heißt im Internetslang folgerichtig 鱼塘 (yútáng), also “Fischteich” oder “Fischbecken”. Und für selbigen “züchtet” sich der Meerkönig immer wieder neue Exemplare heran (养鱼 yángyú - “neue Verehrerinnen heranziehen” heißt das - oder wörtlich “Fische züchten”). Natürlich geht es aber auch umgekehrt und es sind nicht immer die Herren, die den Dreizack in der Hand halten. Narzisstisch veranlagte Playgirls heißen auf Neuchinesisch 海后 hǎihòu - “Meeresköniginnen”.
Nicht verwechselt werden sollten diese Sea-Kings und Ocean-Queens übrigens mit den Krümelmännern (渣男 zhānán) und Krümelfrauen (渣女 zhānǚ), auf die ich schon einmal in einer früheren Kolumne eingegangen bin. Die Krümelfraktion ist in der Regel in festen Händen und dennoch kein Kostverächter, wenn sich die Möglichkeit bietet. Was tun “Menschenkrümel” also? Nun, durch die Mandarinblume gesprochen: sie “stehlen Hühner und grabschen nach Hunden” (偷鸡摸狗 tōu jī mō gǒu), sie “stehlen Duft und klauen Jade” (偷香窃玉 tōu xiāng qiè yù), ja sie “befeuchten die Blumen und zertrampeln das Gras” (沾花惹草 zhān huā rě cǎo) - all dies nämlich sind antike Euphemismen zur Beschreibung eines lasterhaften Liebeslebens, in dem eine (außereheliche) Affäre die nächste jagt.
Heißt auf Chinesisch auch 海王 hǎiwáng - Aquaman
Ganz anders dagegen: die Meeresmajestäten. Als Blaublüter unter den Charmebolzen genießen die selbstverliebten Herr- und Frauschaften genüsslich das Bad in der Bewunderung potentieller Partnerinnen bzw. Partner, schwelgen also in der Magie der Möglichkeiten, ohne Intention, sich festzulegen. Nicht selten handelt es sich also um marine Narzissten (自恋狂 zìliànkuáng - Narzisst, Narzisstin).
Lasterhafte Liebschaften werden im Chinesischen übrigens noch in vielen weiteren blumigen Wortbündeln drapiert. Hätten Sie zum Beispiel gedacht, dass man in China nicht zweigleisig fährt, sondern “zweibootig”? Denn “mit den Füßen in zwei Booten stehen” (脚踏两只船 jiǎo tà liǎng zhī chuán) ist im Mandarin eine Metapher für “eine Affäre haben”. Natürlich ist im Fitness- und Yogazeitalter die olle Bootsmetapher ein bisschen aus der Mode gekommen. Und so spricht die Netzgemeinde hier neuerdings lieber von 劈腿 pǐtuǐ - einem “Spagat” also. (Wobei auch die Schiffsstory bei entsprechender Strömung ja in diese Richtung ausarten kann).
Wer einen Seitensprung hat, der hüpft in China nicht nur zur Seite, sondern hopst gleich ganz aus dem Gleis. Denn 出轨 chūguǐ (wörtlich “aus dem Gleis geraten”) ist ebenfalls eine bildliche Umschreibung für “fremdgehen”. Sprachlich romantischer als unser One-Night-Stand ist die chinesische Wortvariante dafür: die “Liebe für eine Nacht” (一夜情 yīyèqíng). Und auch käufliche Liebe bekommt auf Chinesisch einen unverfänglichen Anstrich: sich “den Frühling kaufen” (买春 mǎichūn) ist nämlich eines der Codewörter für den Besuch bei einer Prostituierten. Und die wiederum “verkauft den Frühling” (卖春 màichūn). Vielleicht eignen sich ja unsere “Frühlingsgefühle” oder der “zweite Frühling” als Eselsbrücken. Ohnehin vergessen Sie diese Vokabel am besten schnell wieder. Denn Sexarbeit ist in China noch immer landesweit verboten.
Von Verena Menzel
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