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„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, formulierte es einst der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein sehr treffend. Mit jeder neuen Chinesisch-Vokabel setzt sich also das mentale China-Puzzle ein Stück weiter zusammen. In unserer Chinesisch-Kolumne bringen wir spannende Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen zur Sprache.
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Das Schriftzeichen 串 winkt optisch so prägnant mit dem Zaunpfahl, dass Sie es nach der Lektüre dieses Artikels so schnell nicht wieder vergessen dürften – Chinesischkenntnisse hin oder her. Als Leuchtreklame hat es schon manch hungriger Langnase in China den Weg zu kulinarischen Lokalitäten gewiesen. Und vielleicht ist es ja auch ein heißer Kandidat für den Wegweiser zu ihrer nächsten Grillparty? Sie werden es erahnt haben: 串 – gesprochen chuàn – bedeutet “Spieß” oder “auf einen Spieß stecken”, je nach Kontext auch manchmal “Schnur” oder “auf eine Schnur ziehen”. Unterhaltsamer Weise fädeln sich um das ikonische Zeichen viele unerwartete chinesische Alltagsbegriffe, die wunderbar bildliche Assoziationen wecken. Und das jenseits von naheliegenden Grundvokabeln wie den 羊肉串 yángròuchuàn, den “Lammspießen” (authentisch im Pekinger Dialekt natürlich nur mit dem hemmungslos gerollten, retroflexen “errrrr”-Laut am Ende, hier noch einmal zum Nachsprechen: 羊肉串儿 yángròuchuàrrr).
Rund um das derzeit laufende Frühlingsfest – das wichtigste Familienfest im chinesischen Kalender – üben sich die Chinesen zum Beispiel gerne im “Türenaufspießen” (串门 chuànmén). Gemeint ist hier kein Spießroutenlauf, sondern der Brauch, über die Feiertage die gesamte Verwandtschaft in einem Besuchsmarathon abzuklappern, sich also von einer Tür zu nächsten zu fädeln. Manchmal heißt das auch ohne Umschweife “die Verwandtschaft aufspießen” (串亲戚 chuàn qīnqi „die Verwandtschaft abklappern“) – was im Spießbürgerkosmos selbst bei Feiertagsdisputen glücklicherweise nicht wörtlich genommen wird. Sich die Klinke in die Hand zu geben, geht aber natürlich auch das restliche Jahr über in anderen sozialen Geflechten. Zum Beispiel auf der Arbeit. Auch hier spricht man in China von “Türenspießen”, wenn man in einer freien Minute unangemeldet bei den Kollegen in den Nachbarbüros hereinschneit.
Wie an einer Perlenschnur auffädeln kann man auf Chinesisch übrigens auch Alkohol-Spelunken: 串酒吧 chuàn jiǔbā “Bars aufspießen/auffädeln” ist das Pendant zu unserer Sauf- oder Kneipentour. Wenn man dann ordentlich Baijiu getankt hat, meint man vielleicht, Stimmen zu hören, zum Beispiel in der Leitung. Fädeln sich tatsächlich plötzlich fremde Wortfetzen durch ein Telefonat, heißt das im Chinesischen 串话 chuàn huà (“Worte auffädeln, Sprache aufspießen”).
Wer sich derweil im Showbiz als Promi-Tausendsassa oder Amateur mal hier mal da in Serien und Filmen einfädelt, der betreibt “Gastspießen” (客串 kèchuàn “Gastauftritt”) beziehungsweise ist ein “Gastspieß-Darsteller” (客串演员 kèchuàn yǎnyuán “Gastdarsteller/in”).
Und die Tierliebhaber unter uns haben vielleicht sogar ein “Spießchen” auf vier Pfoten zu Hause. 串种 chuànzhǒng oder umgangssprachlich auch 串儿 chuàr ist auf Chinesisch nämlich eine der gängigen Bezeichnungen für den “Mischling” bei Hunderassen.
Wenn Ihnen also beim nächsten Mal die Vokabeln im Lehrbuch zu spießig sind, drehen Sie doch den Spieß einfach mal um und stricken Sie sich ihr eigenes Vokabelwortfeld – vielleicht finden Sie ja auch noch ein paar weitere unterhaltsame Wortreihen rund um das Schriftzeichen 串.
Von Verena Menzel
用二十个词说 ... 春节
Frühlingsfest ... in 20 Worten
diēwèir
"Daddy-Duft"
àirén
"iMenschen"
fàngyáng
"das Schaf rauslassen"
rénshè bēngtā
"Rollen-Kollaps"
hǔbèi-xióngyāo
"Tigerrücken & Bärentaille"
bānzhuān
"Backsteine schleppen"
zhínán’ái
"Chauvi-Cancer"
hǎiwáng
"Poseidon-Playboy"
hěn cài
"Voll gemüsig"
xiānán
"Garnelen-Guys"
kāichē
"Anzügliche Autofahrten"
chuànmén
"Besuchsmarathon"
tùnián
"Hasenjahr"
huángtáo guàntóu
"eingelegte Pfirsiche"
tuōkǒuxiù
"Stand-up-Comedy"
bēiguō
"Topfträger"
dàijià
"Vertretungsfahrer"
xiéyīngěng
"Wortspiele"
guāzǐliǎn
"Guazi-Kult"
zhìyù
"So geht Entschleunigung in China"
fàng gēzi
"Tauben fliegen lassen"
tiàocáo
"Futtertrog-Hopping"
diàndēngpào
"(überflüssige) Glühbirne"
hǔnián
"Tiger, Tiger, Tiger"
bàofùxìng xiāofèi
"Rachekäufe"
yǒngyuǎn de shén
"YYDS"
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"Doppelelffest"
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"Pssst!"
sùliào pǔtōnghuà
"Plastikchinesisch"
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"Fannudeln"
tiáoxiū
"Ruhetagwechsel"
dǎ mǎsàikè
"ein Mosaik legen"
dǎ jiàngyóu
"Sojasoße schlagen"
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"Porzellan anstoßen"
báicàijià
"Chinakohlpreise"
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"Klickköder-Clique"
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"Oolong-Tor"
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"Karriere-Crash"
xuéxí-ing
"lern"-ing"
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"Mengmania"
zhòngcǎo
"Gräschen pflanzen"
tǎngpíng
"flachliegen"
mōyú
"Fische tätscheln"
bīngxiù
"Eisärmel"
kěn shēngròu
"rohes Fleisch nagen"
fán'ěrsài
"einen auf Versailles machen"
máodùn
"Von wegen Gegensätze"
bǐxīn
"Herzensschnipper"
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"Trinkt mehr warmes Wasser!"
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"gegrünt werden"
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"Aufgehuhnte Kinder"
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"Chinesische Emoticons"
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"Gendern auf Chinesisch"
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"Influencer, Internetstars"
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