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„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, formulierte es einst der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein sehr treffend. Mit jeder neuen Chinesisch-Vokabel setzt sich also das mentale China-Puzzle ein Stück weiter zusammen. In unserer Chinesisch-Kolumne bringen wir spannende Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen zur Sprache.
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Haben Sie eine fürsorgliche Ader? Oder gar ein Helfersyndrom? Dann können Sie sich in China mal richtig austoben (zumindest sprachlich). Denn im Reich der Mitte wird gepäppelt, was das Zeug hält. Verantwortlich für diesen Schmusekurs ist das Verb 养 yǎng – ein erstaunlicher Allrounder unter den Kümmerverben. Das semantische Herzstück dieses Wortchamäleons pocht im Takt deutscher Tuwörter wie „aufziehen“ und „großziehen“ (z.B. Kinder – 养孩子yǎng háizi). Es wird aber auch im Sinne von „halten, umsorgen, züchten“ (z.B. Hund und Katz – 养狗 yǎng gǒu und 养猫 yǎng māo – oder auch Pflanzen 养花 yǎng huā) verstanden. Doch chinesische Päppelprofis machen hier längst noch nicht halt.
So lassen sich auf Chinesisch auch Autos und Straßen „päppeln“ (养车 yǎng chē und 养路 yǎng lù) – wir würden hier wohl nüchtern von „warten“ oder „instand halten“ sprechen. Und wer gutes Essen liebt, der päppelt in China sogar seine Pfanne (养锅 yǎng guō) – kein Witz. Den „Haltern“ von gusseisernen Woktöpfen raten chinesische Küchenprofis für das optimale Kocherlebnis zu fürsorglicher Pfannenpflege – mit speziellen Einfettungsritualen.
Auch finanziell kann auf Chinesisch gepäppelt werden – zum Beispiel wenn man sich eine Familie (unter)hält (养家 yǎngjiā) oder einen shoppingverrückten Partner (养女友 yǎng nǚyǒu oder 养男友 yǎng nányǒu „seine Freundin/seinen Freund finanziell aushalten/durchfüttern“), wenn nicht sogar eine Geliebte (养小三 yǎng xiǎosān). Der Staat päppelt derweil die Armee (养兵 yǎngbīng „eine Armee unterhalten“).
Am schönsten ist es aber wohl, sich selbst zu päppeln. Gesundheitspflege heißt auf Chinesisch „Lebenspäppelung“ (养生 yǎngshēng) – und dazu zählen Wellness-Vokabeln wie Magen(darm)päppelung (养胃yǎngwèi), Augeninstandhaltung (养眼 yǎngyǎn) oder Gesichtsfürsorge (养颜 yǎngyán). Und wer sein tiefstes Inneres hegen und pflegen möchte, der päppelt am besten prophylaktisch seinen Geist (养神 yǎngshén „sich geistig erholen, innerlich abschalten“), und zwar bitte bevor der Burnout einsetzt. Sonst heißt es nämlich Krankheiten und Wunden „päppeln“, pardon: auskurieren (养病 yǎngbìng und 养伤 yǎngshāng).
Und als wäre das nicht schon genug, hat sich neuerdings auch noch ein (teils eher unbeliebtes) Datentierchen in den chinesischen Alltag gesellt, das auch gepäppelt werden will und täglich nach fachgerechter Pflege kreischt – der Gesundheitscode der Corona-App nämlich, auf Chinesisch 健康码 jiànkāngmǎ.
Damit in der Applikation nicht plötzlich das gefürchtete Fensterchen aufpoppt (弹窗 tánchuāng), das die Bewegungsfreiheit einschränkt oder zum Coronatest abkommandiert, muss man den grünen Code in Tamagotchi-Manier hegen und pflegen (Sie erinnern sich: Tamagotchi – das waren diese eiförmigen japanischen Mini-Elektrospielzeuge, die Ende der Neunziger der letzte Schrei waren). Zur artgerechten Code-Pflege eignen sich zum Beispiel gezielte Aufenthalte in Gebieten mit geringem Covid-Risiko, eine generell code-freundliche Reisehistorie oder als letzte Option stoisches Stubenhockertum. 养码 yǎngmǎ – „den Gesundheitscode päppeln“ heißt solches Vorgehen neuerdings im chinesischen Webjargon – eine weitere (ironische) Sprachblüte im Zeichen von Corona.
Von Verena Menzel
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