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„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“, formulierte es einst der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein sehr treffend. Mit jeder neuen Chinesisch-Vokabel setzt sich also das mentale China-Puzzle ein Stück weiter zusammen. In unserer Chinesisch-Kolumne bringen wir spannende Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen zur Sprache.
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Plastikmüll, Plastikverbot, Mikroplastik im Meer – der Werkstoff Plastik kommt heutzutage imagemäßig eher schlecht weg im Alltagssprachgebrauch. Der Begriff „Plastikchinesisch“ lässt von daher wenig Gutes erahnen. Und tatsächlich: das neue Trendwort, das sich aus den chinesischen Wörtern für „Plastik“ (塑料 sùliào) und „Hoch-/Standardsprache“ (普通话 pǔtōnghuà) zusammensetzt, ist die wenig schmeichelhafte Bezeichnung für holpriges Hochchinesisch mit deutlichem dialektalen Einschlag.
Angelehnt ist die Neuschöpfung an den Jargon der Gamerszene, wo bestimmte Spieler je nach Spielstärke als Bronze-, Silber-, Gold-, Platin- oder Diamant-Player gerankt werden. Plastik-Player laufen dagegen unter ferner liefen. Wir kennen ähnliche Kategorisierungen traditionell bei Hochzeitsjubiläen: Silberhochzeit (25 Ehejahre), Goldene Hochzeit (50 Ehejahre), Diamanthochzeit (60 Ehejahre). Die Plastikhochzeit dagegen: 2 Jahre. Aber das nur als Eselsbrücke.
Zwar ist Hochchinesisch längst die in China allgemein verbreitete Schul- und Verkehrssprache. Und selbst in noch so abgelegen Landstrichen wird Putonghua heute durchweg verstanden und – so denn der gute Wille vorhanden – auch einigermaßen verständlich artikuliert. Doch der Einfluss regionaler Dialekte und Sprachvarianten macht es trotzdem bis heute mancher chinesischen Zunge schwer, mit der eigenen Standardaussprache so richtig warm zu werden. In einigen Regionen steht man mit bestimmten Lauten traditionell auf Kriegsfuß. Das Ergebnis ist eine charakteristische dialektale Färbung, mit der sich der Sprechende unter Landsleuten herkunftsmäßig schnell entlarvt. Jenseits der eigenen lokalen Community sorgen diese systematischen Ausspracheschnitzer nicht selten für (meist liebevoll gemeinten) Spott.
Ein Running Gag ist unter Chinesen zum Beispiel die „F-H-Schwäche“ der Fujianer (echte Fujianer sind also „Hujianer“). Oder der liebenswerte artikulatorische blinde Fleck der Sichuaner, Hubeier und Hunaner bei der Unterscheidung von „l“ und „n“. (Wer Bekannte aus diesen Gegenden foppen will, lässt sie am besten ein paar Mal das Wort „Männerbasketballmannschaft“ aufsagen: 男子篮球队 nánzǐ lánqiúduì). Im Nordwesten des Landes (西北 Xīběi), etwa in Xinjiang, Gansu oder Ningxia, pfeift man dagegen auf die feine Unterscheidung zwischen nasalen und nicht nasalen konsonantischen Auslauten („spät“ oder „Netz“? - wǎn 晚 vs. wǎng 网, „Herz“ oder „Stern“? - 心 xīn vs. 星 xīng). Auch die kosmopolitischen Shanghaier bekommen ihr Fett weg: si oder shi, ci oder chi? Hier wird nach guter südchinesischer Manier alles zur ersteren Variante eingeebnet. Tonresistente Ausländer treibt das an der Supermarktkasse manches Mal in den Wahnsinn. Kostet das Klopapier nun 14 oder 41 Kuai (sísì? - sìsí!). Doch auch im Norden hat man mit der Hochsprache so seine Problemchen. Die Hauptstädter pflegen nicht nur, an alle möglichen Silben das berühmte Pekinger „er“ (北京儿化音 Běijīng érhuàyīn) anzuhängen: 串儿 chuàrrr „Spieße“, 街儿 jiērrr „Straße“, 楼儿 lóurrr „Haus“, 门儿 mérrr „Tür“. Sie tendieren überdies dazu, vieles zu vernuscheln: gebratenes Ei mit Tomate (xīhóngshì chǎo jīdàn) wird in Peking schnell mal zu „xiōngshì chǎo jīdàn“.
Wer sich also beim Chinesischlernern zwischen Tonlagen, Zischlauten und Pressvokalen verheddert, darf sich ein wenig getröstet fühlen - mit dem eigenen „Plastikchinesisch“ ist man selbst in China nicht alleine!
Von Verena Menzel
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